Nur wenige Autominuten von unserem Hideout bei Ribaute in Corbières entfernt stand “Le Bastion” schon einige Jahre auf dem Zettel. Die letzten Male waren entweder Covid, Ruhetag oder zwingende andere Pläne dazwischengekommen. Doch dieses Mal sollte es gelingen. Tisch gebucht und drauf gefreut – auch ohne Stern so hörte man, sei Le Bastion ein kulinarisches Highlight.
Lagrasse ist ein malerisches Dorf mitten in Corbières; wir hatten hierüber schon einmal andernorts geschrieben, aber der Besuch dieses Dörfchens lohnt sich wirklich. Nicht nur wegen des Rugby Clubs oder der alten Stadtmauern, der Abtei oder der Pont Vieux. Nein, auch kulinarisch bietet Lagrasse einiges. Nur am Rande erwähnt werden sollen hier unsere vormaligen Besuche im Restaurant Basse Cour und natürlich Vinaigre Codina, wo es die exklusivsten, ausgefallensten und qualitativ hochwertigsten Essigsorten im Umkreis gibt.
Kommen wir aber zurück zu Le Bastion. Freitagabend, ein Tisch für 2. Wir sind pünktlich. Vor dem Eingang hängen noch die beiden Schilder aus den Jahren ´20 und ´21, als man im Guide Michelin erwähnt wurde; im Kopf habe ich gerade den Kommentar unter meiner Ankündigung auf Facebook, dass man hier an einem Stern kratze. Wir sind gespannt. Ein netter Empfang im Erdgeschoss. Die Bar erstreckt sich über die Breite des Raumes, dahinter die Küche. Alles wirkt, als wäre es über die Jahre einfach aus dem Stein einer alten meterdicken Stadtmauer herausgehauen worden. Der Maitre führt uns nach oben und weist uns unseren Platz zu. 20 Plätze insgesamt. Die Tische sind klein, aber gerade ausreichend für 2 Personen, ein Hocker wird beigestellt – als Ablage wie wir annehmen. Die Menuekarte wird gereicht, ebenso die Weinkarte – versehen mit dem Zusatz, dass wir auch gerne die Dienste des Sommeliers in Anspruch nehmen können.
Die Speisekarte besteht aus drei verschiedenen Menues. Ein 4-Gang (49,-€) und ein 7-Gang (87,-€) , wobei das 7-Gang die Erweiterung darstellt und damit die 4 Gänge in den 7 aufgehen. Uns reizt aber das dritte Menue, genannt “Confiance”. Die einzelnen Gänge sind im Unterschied zu den beiden o.a. Varianten nicht beschrieben. Hier soll der Küchenchef die Möglichkeit haben in 8 Gängen die klarste und saisonalste Menuevariante zu zeichnen. Das sieht nach einem Signature-Menue aus, hört sich so an, kann nicht einzeln, sondern nur von allen Gästen am Tisch geordert werden und kostet 137,-€ p.P.. Keine Frage, wir wollens wissen: Bestellt. Die Dienste des Sommeliers nehmen wir nur insoweit in Anspruch, als er unsere ausgesuchte Flasche bringen darf; auf die Weinbegleitung verzichten wir heute ausnahmsweise. Ein Clairette Blanc von Calmel & Joseph wird uns den Abend über begleiten – und das tut er zu diesem Menue sehr gut.
Es kommt Brot und – so wie uns scheint – ein Gruß aus der Küche. Forelle als Sashimi mit Wildblüten und Orangen aromatisiert, Olivenölaufguss mit Parmesan und Trüffel, dazu wird Schinken vom Bigorre gereicht. Eine leckere und passende Ouvertüre. An den beiden benachbarten Tischen werden je einmal das 4-Gang und das 7-Gang bestellt; auch kommt die Ouvertüre wie bei uns.
Weiter geht es mit Gang 1 (nach unserer Zählweise) – und wir sind zum ersten Mal…. nennen wir es…. überrascht. Eingebettet in eine Schüssel voll mit Buchweizen finden wir zwei Scheiben Wasa Finn Crisp Knäckebrot vor, die wie ein langes Sandwich aufeinanderliegen. Das Finn Crisp Sandwich ist belegt mit Foie Gras, Trüffel und etwas Orangenconfit. Wir wissen nicht so recht, ob das aus Verlegenheit gereicht wird oder das ernsthaft so gemeint ist: Finn Crisp? Wirklich jetzt? Hier steht auch leckeres hausgemachtes Brot nebenbei. Auf diesem Niveau sollte man kein Wasa-Produkt mehr verwenden. Zumal das Ganze optisch wie geschmacklich dann doch eher im Bereich “alltägllich” liegt. Obendrein hat es selbst die Foie Gras schwer gegen das Finn Crisp anzukommen. Das ist ein eher erschütterndes Bild und wir hoffen irgendwie, dass das noch zur Ouvertüre gehört; immerhin wird dieser Gang nirgendwo anders gereicht. Aber halt, wir haben ja auch das separate Menue, das 50,-€ mehr pro Person kostet. Logisch, dass das nur hier kommt.
Weiter geht´s mit Gang 2: Austern. Einmal Natur mit Kaviar, einmal in einer sehr schön angemachten Vinaigrette mit tollem Süße-Säure-Spiel. Das macht Laune, wird aber – zu unserem Erstaunen – auch an allen anderen Tischen gereicht. Und auch hier wieder: Finn Crisp als Dreingabe. Befremdlich.
Und jetzt mache ich es kurz: Alle anderen Gänge waren ebenso vollkommen identisch mit Ausnahme des Hauptganges. Der kam bei uns mit einer gefüllten Hähnchenoberkeule (Farce aus verschiedenen Fleischsorten und lokalen Gewürzen) auf getrüffeltem Risotto daher. Trüffel zog sich übrigens durch nahezu alle Gänge. Zwei wirklich schöne Gänge waren die frischen Waldpilze, Foie Gras mit Trüffel und Dill sowie die Forelle auf weissen Bohnen mit Dill. Allen Gänge gleich war entweder eine geschäumte Velouté oder eben die Trüffel.
So waren wir nach unserer Zählung mit dem Fleischgang bei Gang 4. Austern (1), Waldpilze (2), Forelle (3) und Huhn (4). Im Grund waren wir satt, wussten nur nicht so Recht, ob das Finn Crisp zu den Gängen zu zählen war. Und jetzt wurde es merkwürdig, denn zusammen mit unseren Tellern wurde auch das Besteck ausgehoben und durch Dessertlöffel ersetzt. Moment. Wie viele Desserts sollen denn kommen? Es kamen zwei – die zwei von der Karte aus dem anderen Menues, die zwei, die auch die anderen Tische hatten. Und damit nicht genug, denn auch die von uns so gedachte Ouvertüre war als Gang gewertet. Somit waren wir am Ende des Menues zwar satt, aber dennoch auch irgendwie konsterniert. Unser Menue unterschied sich von den anderen durch das o.a. Finn Crisp mit Foie Gras sowie den Fleischgang. Das waren also die Ideen des sich austobenden Küchenchefs zu den kulinarischen Highlights dieser Region. Für einen Aufpreis von 50,-€ p.P. nicht gerade ein Schnapper.
Versteht mich nicht falsch: Der Gesamtpreis von 137,-€ für das Menue ist durchaus gerechtfertigt. Vollkommen ungerechtfertigt ist aber, dass dieses Menue als “Überraschungsmenue” kommt und sich nur in einem Gang unterscheidet. Ebenso ungerechtfertigt ist, dass dieses Menue von allen Gäste am Tisch geordert werden muss und nicht an einen einzelnen Gast ausgegeben wird. Und ebenso ungerechtfertigt ist der Preisunterschied von 50,-€ für eine Überraschung, die am Ende keine ist und mindestens einen Gang (Finn Crisp, Ouvertüre), der ebensowenig einer ist. Das ließ uns dann doch mit einem merkwürdigen Gefühl aus dem Restaurant gehen.
Kommen wir aber noch zu zwei erwähnenswerten Kleinigkeiten. Ich weiß wohl, dass in Frankreich ein Stern schneller als in Deutschland vergeben wird. Aber dennoch: Am Stern kratzt hier nichts. Das war gute gehobene Küche, bei dem Preis zu erwarten. Aber nichts Außergewöhnliches, nichts Überraschendes. Keine Kreativleistung, keine besondere Präsentation (vom Finn Crisp einmal abgesehen) und auch keine geschmacklichen Neuerfahrungen. Das war gute gehobene Küche, aber nicht im Ansatz im Sternebereich. Allein im Kreis Heidelberg findet man sowas mindestens ein halbes Dutzend Mal – besser und zum Teil günstiger. Ohne Stern. Zu Recht.
Zum Service auch noch ein abschliessendes Wort: Ich darf auf diesem (propagierten) Niveau erwarten, dass der Service das Menue kennt und nicht vor jedem Gang ablesen muss; wir saßen dummerweise direkt neben dem Spickzettel. Ich darf auch erwarten, dass bei Ausgabe einer dreisprachigen Karte auch mindestens eine zweisprachige Annoncierung möglich ist (für Gäste am Tisch, die der französischen Fachsprache nicht mächtig sind). Was wir aber mindestens erwarten ist ein aufmerksamer Service: Wasser nachschenken, Wein nachschenken, eventuell nach einer neuen Flasche Wasser fragen. In einem Restaurant, das sich selbst in die Höhe redet, sollte das mindestens möglich sein. Zumal bei 16 Gästen und 2 Servicemitarbeitern die Belastung nicht übermäßig hoch ist. Stattdessen bewegt man sich lieber abseits der Gäste im Erdgeschoss am Tablet zu auf Youtube laufenden Musiktönen; der Gang zur Toilette im Erdgeschoss offenbarte auch noch dies. Wie gut, dass wir dem (sehr jungen) Sommelier nur die eine Weinflasche anvertrauten.
Was bleibt als Fazit: Essen insgesamt gut, auch der Preis war insgesamt gerechtfertigt. War es herausragend? Mitnichten. In Anbetracht aller oben beschriebenen Umstände aber ist dieses Restaurant definitiv keine uneingeschränkte Empfehlung. Tut mir sehr leid.